ERWACHSENE

Hinsichtlich Sensitivitätsunterschieden bei Erwachsenen wurde 1997 der Begriff "Sensory Processing Sensitivity" von ARON UND ARON (1997) in einer der angesehensten, psychologischen Fachzeitschriften eingeführt. "Sensory Processing Sensitivity" kann dabei wie folgt definiert werden: "ein Temperament/Persönlichkeitsmerkmal, welches von einer Sensitivität gegenüber internen sowie externen Reizen charakterisiert ist (ARON ET AL., 2010: S. 220; JAGIELLOWICZ ET AL., 2011: S. 38)." Dabei ist zu betonen, dass die erhöhte Sensitivität nicht nur externe Reize betrifft, wie beispielsweise Geräusche oder Gefühle anderer (ARON & ARON, 1997), sondern auch interne Reize, wie beispielsweise eigene Gefühle oder die Intuition (ARON, ARON & JAGIELLOWICZ, 2012).

 

Gemäss HOMBERG ET AL. (2016) existieren vier Sensitivitätsfacetten:

  1. Höheres Bewusstsein von umweltbezogenen Feinheiten
  2. Tiefere Verarbeitung von sensorischen Informationen
  3. Stärkere emotionale Reaktivität
  4. Erhöhte Anfälligkeit für Überstimulation

Im Kontext der ersten Sensitivitätsfacette existieren bereits erste, neurologische Studien, welche in der generellen Tendenz eine erhöhte Hirnaktivität bei überdurschnittlich sensitiven Individuen aufzeigen (vgl. z.B. ARON ET AL., 2010; ACEVEDO ET AL., 2015). Basierend auf der erhöhten Insula-Aktivität gehen ARON, ARON UND JAGIELLOWICZ (2012) davon aus, dass "Sensory Processing Sensitivity" mit einem erhöhten, generellen Bewusstsein einhergeht. Währendem die erste Sensitivitätsfacette auf die erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit verweist, bezieht sich die zweite auf die tiefere, kognitive Verarbeitung von Reizen, welche zudem von einer höheren, emotionalen Reaktivität angetrieben wird (ARON, ARON & JAGIELLOWICZ, 2012). Dieses Zusammenspiel der zweiten und dritten Sensitivitätsfacetten mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen. Allerdings zeigen neuere Forschungsergebnisse auf, dass Emotionalität die Lern- und Merkfähigkeit erleichtern kann (vgl. z.B. BAUMEISTER ET AL., 2007). Die drei erstgenannten Sensitivitätsfacetten, welche entsprechende Vorteile mit sich bringen können, führen schliesslich zu einer erhöhten Anfälligkeit für Überstimulation, welche ensprechende Nachteile mit sich bringen kann.

Diese Vor- und Nachteile bzw. "Trade-Offs" von "Sensory Processing Sensitivity" werden beispielsweise durch eine experimentelle Studie von GERSTENBERG (2012) gut verdeutlicht. Währendem hochsensitive Personen bei einer visuellen Wahrnehmungsaufgabe besser und schneller als die restlichen Studienteilnehmenden abschnitten, wiesen sie im Anschluss an die Aufgabe höhere Stresswerte auf.

 

Der aktuelle Forschungsstand von "Sensory Processing Sensitivity" kann als gering - jedoch ansteigend - eingestuft werden.